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Divorce and Remarriage
by David Instone-Brewer

Review in German. Translated extract:

"There is a welcome emphasis on exegetical context in this study which one misses in many other contributions to the subject."

Christoph Stenschke

Jahrbuch fur Evangelikale Theologie, 17 (2003)


Full review:

Instone-Brewer, Research Fellow am Tyndale House in Cambridge, iegt eine umfangrciche exegetische Untersuchung eines Themas vor, das - wenn es auch biblisch nur am Rande verhandelt wird - wegen seiner seelsorglichen Relevanz auf der Tagesordnung ist. Die Scheidungsraten und die zunehmenden Vorkommen in chrislhchcn Gemeinden indizieren, dass es auf lange Zeit so bleiben wird. Nach Instone-Brewer haben Jesus und Paulus eine Scheidung ohne gültige (Gründe verurleilt und von einer Scheidung aufgrund gültiger Gründc abgeraten ("discouraged"). Jesus und Paulus haben die alttestamentlichen Gründe für eine Scheidung bestätigt. Das Alte Testament erlauble eine Scheidung wegen Ehebruch und wegen Vernachlassigung ("neglect") oder Missbrouch ("abuse"). Jesus und Paulus haben beide eine Wiederheirat nach einer ungülligen Scheidung veruileilt, nicht jedoch nach einer gülligen Scheidung (S. IX). Dass die Ergebnisse des Autors von der traditionellen kirchlichen Auslegung abweichen (Scheidung mit Wiederheirat war überhaupt nicht erlaubt, eine Trennung wurde nur im Fall des Ehebruchs zugestanden und möglicherweise beim Verlassenwerden durch einen unglaubigen Ehepartncr), liegt seines Erachtens daran, dass "das Hintergrundwjssen und der Verstehenshorizont eines Lesers im ersten Jahrhundert bereits im 2, Jh. vergessen waren und daher diese Texte selbst von den Kirchenvätern falsch verstanden wurden" (S. IX).

Instone-Brewer will daher die neutestamentlichen Aussagen zu Scheidung und Wiederheirat so verstehen, wie sie von ihren ersten Lesern verstanden worden sind (kein überraschender Anspruch für den mit historisch orientiertcr Exegese verlrauten Leser). Er beginnt mit einem langen historisch-exegetischen Teil. Die Untertitel der jeweiligen Kapitel fasspn die Ergebnisse zusummen: "Der alte vordere Orient: Ehe ist ein Vertrag" (S. 1-19); "Der Pentateuch: Der Scheidebrief erlaubt eine Wiederheirat" (S. 20-33; der Pentateuch unterscheidct sich von der übrigen altvorderorientalischen Gesetzgebung bezüglich der Rethte von Frauen in Ehe und in Scheidung. Die Frauen Israels hatten weitergehende Rechte in der Ehe und eine grössere Mögliehkeit, naeh einer Schcidung wieder zu heiraten, Der iSchckiebrief, der einc Frau /.ur Wiedcrheirat bcrcchtigtc, war anderswo unbekannt [S. 20]); ,,Die späteren Propheten (Jes, Jer, Hes, Hos): Der Bruch des Ehegelübdes wird verurteilt" (S. 34-58; diese Propheten zeichnen ein übereinstimmendes Bild von Gott, der sich widerstrebend von Israel seheidet, weil ,sie' andauend ihr Ehegelübde brieht. Auf Gottes Scheidung fällt keine Schande, weil Israel und Juda Unrecht taten. Maleachis Kritik an der Scheidung [2,14-16] gilt denen, die durch Brechen ihrer Ehegclübdc eine Scheidung verursachen). "Die zwischenlestamentliche Zeil: Die Rechte von Frauen stärken" (S. 59-84); "Rabbinische Lehren: Die Gründe für die Sdieidmig vermehren" (S. 85-132; zu den Gründen zählen Unfruchtbarkeit, Ehebruch, materielle oder emotionale Vernachlässigung. Frauen konnten ein Gericht auffordem, ihren Ehemann zu überzeugen, sie zu entlassen, wenn sie, unter Vernachlassigung litten. Eine Scheidung war kaum mit Schande behaftet, und eine Wiederheirat wurde erwartet, jedoch galt Wiederheirat nach einer ungültigen Scheidung als Ehebruch im buchstäblichen Sinn [auf diesem Gebiet kann Instone-Brewer als Spezialist gelten; vgl. Seine Studie Techniques and Assumptions in Jewish Exegesis before 70 CE, Tübingen 1992]); „Die Lehre Jesu: Scheidung nur aufgrund von biblischen Gründen" (S. 133-87; Ehe ist monogam, sollte lebenslang sein; Scheidung ist nie obligato-risch, sie sollte vermieden werden, es sei denn, der schuldige Partner verweigert hartnäckig die Buße; Ehe ist optional, die Hillelitischen Scheidungen „aus ir-gendeinem Grund" [vgl, Mt 19.3] sind ungültig).

Nach „Die Lehre des Paulus: Biblische Gründe beinhalten Vernachlässigung (neglect)" (S. 189-212) dürfen sich Christen in ihrer Sclieidungspraxis nicht an der römischen Gesetzgebung orientieren und sollen keine Scheidung verursa-chen. Wenn sie jedoch von einem Nicht-Christen entlassen werden, der die Ver-söhnung verweigert, steht ihnen die Wiederheirat offen, jedoch mit einem Chris-ten. „Durch die Tatsache, dass Paulus die Gläubigen an ihre Verpflichtungen zu materieller und emotionaler Unterstützung des Ehepartners erinnert, wird deut-lich, dass er diese Verpflichtungen als ein Teil ihrer Ehegelübde betrachtete -eine Ansicht, die er mit allen anderen Juden teilte - und ihre Missachtung als einen gültigen Scheidungsgrund ansah. Menschen, die gegen ihren Willen von ihren Ehepartnern verlassen wurden, hatten aufgrund der Missachlung der eheli-chen Verpflichtungen ein Recht auf Scheidung. Jedoch ist es klar, dass Paulus -wie andere zeitgenössische Juden - zur Vorsicht beim Gebrauch dieser Scheidungsgründe aufrief. Wenn jedoch Gläubige sich um Versöhnung bemühten und erfolglos blieben, dann stand ihnen frei zu akzeptieren, dass die Ehe beendet war und es ihnen - so die stillschweigende Folgerung - freigestellt war, wieder zu heiraten" (S. 212). „Nicht gebunden" sein (I Kor 7,15) heißt nach damaligem Verständnis frei sein, "wieder zu heiraten", Paulus musste das Recht auf Wiederheirat nicht betonen, da es sich um ein etabliertes Recht einer geschiedenen Per-son sowohl nach jüdischem als auch nach römischem Recht handelte. Die Schlussfolgerungen sind weitgehend: Ein Gläubiger soll nie eine Scheidung ver-ursachen, weder durch die Trennung vom Ehepartner noch durch die Vernachläs-sigung ehelicher Pflichten, Wenn jedoch die Ehe trotz intensiven Bemühens scheitert, hat er oder sie ein Recht auf Scheidung und ist frei wieder zu heiraten (vgl. die andere Position bei G. D. Fee, The First Epistle to ihe Corinthlans, 1987, S. 290-306 und den Überblick bei G. F. Hawthornc, "Marriage and Divorce ...", DPL, S. 594-601 und A. C. Thiselton, The First Epistle to the Corinthians 2000, S. 484-543).

Nach diesem Überblick untersucht Instone-Brewer die gebräuchlichen, von der Bibel und dem Judentum übernommenen Ehegelübde (S. 213-237; christli-che Ehegelübde beruhen auf Ex 21,l0f und Eph 5,29 und beinhalten das Ver-sprechen des Versorgens, Bekleidens und der Liebe). Weitere Kapitel sind der Geschichte der Ehescheidung gewidmet (S. 238-267; Überblick über die Wirkungsgcschichte des „traditionellen Verständnisses" aufgrund der Unkenntnis des Hintergrundes der Debatte Jesu mit den Pharisäern: Außer bei Unzueht hat Jesus Scheidung verboten, Wiederheirat ist nicht möglich) und den gängigen ver-schiedenen modernen Auslegungen des biblischen Befundes (S. 268-299; gute Darstellung und Würdigung). Unter der Überschrift „Institutionalisierte Missversländnisse revidieren" schließt der Autor mit einer Zusammenfassung, Diskussi-on der angewandten hermeneutischen Prinzipien und pasloralen Schlussfotgemngen (S, 300-314; das Neue Testament erlaubt Scheidung, jedoch soll sie, wenn irgend möglich, vermieden werden. Scheidung ist nur bei gebrochenen Eheversprechen gestattet. Der Entschluss zur Scheidung kann nur von der ver-letzten Partei ausgehen. Ein Christ sollte sein Ehegelübde nie brechen und versu-chen, einem bußfertigen Ehepartner zu vergeben, der so gehandelt hat. Wenn diese Art von gültiger Scheidung stattfindet, ist eine Wiederlieirat möglich [S. 314]).

Vor Übernahme und Anwendung dieser Erkenntnisse ist freilich zu prüfen, ob der Autor seinem Anspruch gerecht wird und sein Verständnis tatsächlich das des ersten Jahrhunderts ist oder ob nicht - gerade bei den unweigerlich subjektiven Kategorien der materiellen und emotionalen Vernachlässigung eines Ehepartners - ein neuzeitliches, von der Romantik mitbestimmtes Einverständnis zumindest teilweise Pate gestanden hat. Wie wahrscheinlich ist beispielsweise die Annah-me, dass Paulus, der gerade im Ersten Korintherbrief eine stark vom Alten Tes-tament geprägte christliche „Gegenethik" auf dem Hintergrund der in Korinth blühenden hellenistisch-philosophischen Popularethik entwickelt, bestimmte As-pekte hellenistisch-römischer Ehe- und Scheidungsgesetzgebung und -praxis stillschweigend als gültig voraussetzt? Dem hält Instone-Brewer freilich entge-gen: „Zugegebenermaßen ist das NT über eine Wiederheirat nach gültiger Schei-dung zweideutig und unklar. Jedoch war die Wiederheirat nach einer Scheidung ein Grundrecht in der Welt des l. Jh, und wurde oft als Verpflichtung angesehen. Daher wussteil die Autoren des NT, dass sie ihre Lehre sehr klar und eindeutig formulieren mussten, wenn sie das Gegenteil dieser allgemein verbreiteten An-sicht vertreten wollten" (S. 299).

Wie historisch überzeugend ist die These, dass - bei aller sonstigen Kontinui-tät zwischen erstem und zweiten Jahrhundert - das eigentliche Anliegen der neutestamentlichcn Aussagen schon im 2. Jahrhundert völlig missverstanden wurde, wenn neuere Studien zeigen (z, B, S. G. Wilson, Related Strangers: Jews and Christians 70-170 C.E., Minneapolis 1995), dass es auch nach 70 n. Chr. nicht zu einer absoluten Trennung zwischen Juden und Christen gekommen ist und manche altkirchliche Exegeten nicht nur den selbstverständlichen kulturellen Hintergrund der paulinischen Aussagen gut kannten, sondern auch im klärenden Gespräch mit jüdischen Schriftgelehrten waren?

Hervorzuheben ist die erfreulich starke exegetische Orientierung dieser Studie, die man bei vielen anderen Beiträgen zum Thema vermisst. Instone-Brewers Ar-beit, deren neuer Beitrag u. a. in der Betonung des Eheversprechen s und seines Inhaltes liegt, sollte zukünftig in der exegetischen Diskussion, aber auch in der scelsorglichen Beschäftigung mit dieser Thematik berücksichtigt werden und wird zum Nachdenken und Weiterarbeiten anregen (Als neuere deutschsprachige Studie zum Thema vgl. F. Kleinschmidt, Ehefragen im Neuen Testament Frank-furt 1998).


Christoph Stenschke

 

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